Der Graf
Der Graf trat ins Tageslicht.
Geblendet von der grellen Sonne wandte er den Kopf zur Seite. Sein Kopf schmerzte
gewaltig und es fiel ihm schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Er überblickte
sein Land. Grün stachen die Bäume und Sträucher hervor, Flüsse schlängelten sich
hindurch und er konnte die verschiedensten Tiere beobachten: Fasane, Wildschweine
und Nebelkrähen.
Er war nun seit zwei Monaten im Amt,
doch wenig hatte sich zum Guten verändert. Hielt man sich nach Einbruch der Nacht in
den verschlungenen Straßen und Gässchen der Stadt auf bestand höchste Gefahr ausgeraubt
oder verprügelt zu werden. Es gab viele Räuber und Gesetzlose und die wenigsten
Spelunken waren innen wirklich einladend gestaltet. Die Steuern waren nicht zu hoch,
doch die reichen und privilegierten Bürger konnten ihr Geld am Fiskus vorbei schaffen
und der gemeine Mann zahlte.
Es gab ein gut geführtes Kloster, das
auch als Schule diente, doch es mangelte an gutmütigen und gebildeten Lehrern; einzig
das würzig gebraute Klosterbier war hervorzuheben, wenn es auch zuweil etwas malzig
schmeckte. Im Klostergarten wurden die verschiedensten Kräuter angebaut, Rosmarin,
Thymian und Lavendel, doch auch er verwilderte zusehends. Früher gab es rauschende Feste
im Burghof, die Lauten und Trommeln erklangen, es wurde gefeiert, getanzt, gegessen und getrunken, doch auch die Feste nahmen zusehends ab.
Nachdenklich stand der Graf da und machte
sich seine Gedanken und bemerkte dabei nicht, wie sich ihm ein Mann von hinten näherte.
Leise trat er näher und vollführte eine rasche Bewegung, mit dem Auge kaum nachzuvollziehen. Genauso leise wie er gekommen war, ging er auch wieder und wieder stand einsam der Graf auf seiner Burgmauer. Und plötzlich trat etwas Dickflüssiges aus des Grafen Oberkörper und
floss langsam sein Gewand herunter. Fast schwarz war diese Flüssigkeit, die weiter austrat.
So stand er nun der Graf und stand, bis er plötzlich, ganz langsam, in sich zusammenfiel.
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